Das Materi-A-Net Projekt untersucht die Handlungsmacht der künstlerischen Materialien als Faktor in den grenzüberschreitenden deutsch-französischen kulturellen Netzwerken. Konkret wird dies am Beispiel des Austausches des Rohstoffes Alabaster und der daraus geschaffenen Kunstwerke zwischen Frankreich und Deutschland um ca. 1350-1650 erforscht, d.h. in der Zeit der größten Popularität dieses Materials. Anders als bisherige Ansätze der Kunstgeschichte, die primär die menschlichen Akteure (Künstler, Auftraggeber, seltener andere Vermittler, wie z.B. Händler) des Kunsttransfers mitberücksichtigt haben, untersucht diese Studie die natürlichen Bedingungen dieses Prozesses: das Vorkommen des Gesteins, seine Eigenschaften, und die natürlichen Determinanten der Materialbeschaffung (Gewinnungs- und Transportmöglichkeiten). Somit hat das Projekt zum Ziel, in Anlehnung an die Actor-Network Theory (ANT), die Netzwerke der menschlichen und nicht-menschlichen Akteure, die hinter der Mobilität des Alabasters stehen, mithilfe digitaler Werkzeuge zu rekonstruieren und daraus Schlüsse auf ihre Entstehungsumstände zu ziehen. Dabei wird die Frage gestellt, ob bestimmte systemische Strukturen, die zur Entstehung eines Kunstwerkes führen, epochenübergreifend vergleichbar sind.
Diese Fragestellung wird an zwei Fallbeispielen untersucht:
Drei Marien aus der Kreuzigungsgruppe, Rimini-Altar, Meister des Rimini-Altars, um 1430, Liebieghaus Skulpturensammlung Frankfurt M., Foto A. Lipińska.
Lokalisierung der Werkstatt des sog. Meisters des Rimini Altars (15. Jh.).
In dieser Studie wird angestrebt, die umstrittene Herkunft des bedeutenden Alabasterbildhauers des frühen 15. Jh. durch die Bestandsaufnahmeund Kartierung seiner Werke und der Verbreitung des von ihm verwendeten Materials besser einzugrenzen. Ergänzt durch die Untersuchung der möglichen Transportwege, werden Hypothesen im Hinblick auf den Tätigkeitsort des Künstlers mithilfe digitaler Visualisierungsmethoden verifiziert.
Zwischenhöfischer Austausch im Dreieck Hessen-Lothringen-Franken im 16.-17. Jh.
Diese Fallstudie untersucht die Rolle des Alabasters (als Rohmaterial und Kunstwerk) als Akteur in zwischenhöfischen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland am Beispielausgewählter Höfe, die über Alabastervorkommen verfügten und Alabasterwerke beauftragten (Herzoglicher Lothringischer Hof in Nancy, Landgräflicher Hof in Kassel und Darmstadt, Fürstbischöflicher Hof in Würzburg). Dabei steht die Rolle der dort tätigen Wanderkünstler als Vermittler von Materialwissen und Akteure zwischenhöfischer Kommunikation im Fokus.
Landgraf Philipp der Großmütige, Figur in dem Grabmal von ihm und Christine von Sachsen, Künstler: Elias Godefroy Dupré, Adam Lecuir, 1567-72, Martinskirche Kassel, Foto A. Lipińska.
„Christus als Schmerzensmann“, Museum Mayer van den Bergh (https://museummayervandenbergh.be), Südliche Niederlande, ca. 1460-70, MBB.0317 (3D Model ©W. Kloppmann).
In dem Vorhaben werden transdisziplinär die Methoden der Kunstgeschichte (Analyse der Kunstwerke und Quellen), der Geologie (Lokalisierung des Vorkommens), der Geochemie (Bestimmung der Herkunft der Materialproben) und der Restaurierungswissenschaft (Interpretation von Arbeitsspuren, experimentelle Rekonstruktion) durch den Ansatz der Digital Humanities (Strukturierung der Daten aus den o.g. Untersuchungsbereichen in einer Graphdatenbank; Kartierung der Akteure; Hypothesenbildung anhand der Visualisierung) vereint.